Sehr geehrte Prof. Dr. Günther, Fr. Meyer, Prof. Dr. Kucera, Prof. Dr.-Ing. Petersen und Dr. Boehnke,
in unserem offenen Brief von Anfang Juni haben wir Sie darauf hingewiesen, dass am 08. Mai im Zuge der pro-palästinensischen Campus-Besetzung von islamistischen und linken Gruppen sowie Einzelpersonen antisemitische Positionen propagiert und Israel das Existenzrecht abgesprochen wurde. Die Aktivist:innen schreckten nicht einmal davor zurück, das von der Hamas zur Feindmarkierung genutzte rote Dreieck1 auf einem ihrer Transparente abzubilden. Damit springen sie auf den Zug der politischen Ästhetisierung des Antisemitismus auf und – entscheidender – machen sich gemein mit der Hamas.2
Trotz der von Ihnen veranlassten Räumung verlautbarten Sie in mehreren Statements äquidistante Positionen, die Israels militärische Antwort auf das am besten dokumentierte Pogrom der Menschheitsgeschichte terminologisch in die Nähe des palästinensischen Vernichtungsantisemitismus rückten.3 Zudem erwähnten Sie den antisemitischen Charakter der protestierenden Gruppen mit keiner Silbe und kündigten an, mit allen Seiten im Dialog bleiben zu wollen. Nachdem wir ausführlich die Positionen der zum Protest aufrufenden Gruppen darstellten, haben wir auf die allgemein sich immer weiter zuspitzende Bedrohungslage für Jüdinnen:Juden und Israeli:nnen auf deutschen und internationalen Campus aufmerksam gemacht. Zudem baten wir Sie zu überdenken, Akteur:innen als friedlich zu bezeichnen, die anhand der durch den Bundestag ratifizierten Antisemitismusdefinition eindeutig als antisemitisch einzustufen wären und forderten Sie auf, konsequent gegen Antisemitismus an der Universität Bremen vorzugehen.
Eine Antwort haben wir nicht erhalten. Stattdessen wurden weiterhin – über die vorlesungsfreie Zeit bis hin zur O-Woche – antisemitische Treffen und Veranstaltungen an der Bremer Universität abgehalten, ohne dass Sie sich trotz mehrfacher Skandalisierung durch uns und andere dazu berufen fühlten, einzuschreiten und dem etwas entgegenzusetzen. Die in Rede stehenden Veranstaltungen und das dahinterstehende informelle Bündnis aus islamistischen, links-autoritären und postkolonialen Gruppen und Vertreter:innen der Hochschulpolitik möchten wir daher im Folgenden noch einmal auszugsweise dokumentieren, um abermals auf die besorgniserregende Lage an der Bremer Universität aufmerksam zu machen und Sie erneut dazu aufzufordern, Stellung zu beziehen und konsequent gegen Antisemitismus an der Universität Bremen vorzugehen.
Fortgesetzte antisemitische Aktivitäten auf dem Campus
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Einige Wochen nach der Publikation unseres offenen Briefes wiesen wir Sie in einer weiteren E-Mail auf eine Streaming-Veranstaltung hin, die unter dem Titel „Palästina Kongress im Exil“ am 25. Juli im Raum 1460 des MZH-Gebäudes abgehalten worden ist, organisiert von der Gruppe Uni(te) for Pali, die ebenfalls das Bremer Protestcamp initiiert hatte. Angelehnt war das Event an den Berliner „Palästina Kongress“. Dieser war im April unter anderem abgebrochen und nachträglich verboten worden, weil die Kongressteilnehmer:innen eine Videobotschaft von Salman Abu Sitta abspielten. Gegen diesen besteht ein politisches Betätigungsverbot in Deutschland, da er in einem Gastbeitrag auf einer antisemitischen Webseite das Massaker der Hamas bejubelte und verkündete, dass er beim Pogrom der Hamas am 7. Oktober mitgemacht hätte, wenn er jünger und agiler gewesen wäre.4 Auch dieser Interventionsversuch durch uns blieb unbeantwortet. Stattdessen wurde gegenüber der Bürgerschaft von Ihnen im Nachgang behauptet: „Für das Screening hat es keine offizielle Anmeldung einer Veranstaltung bei der Universität gegeben, es war kein Raum gebucht. Es ist nicht auszuschließen, dass der Livestream von einzelnen Studierenden ggf. in den Räumen der Universität auf privaten Geräten und aus privaten Motiven verfolgt wurde. Eine Erhebung dieser Sachverhalte, die nicht unmittelbar mit den universitären Aufgaben in Verbindung stehen, würde in das Persönlichkeitsrecht der Studierenden eingreifen.“5 Konträr dazu steht allerdings in einem Bericht von Seiten des Senats: „Wenn das Rektorat bzw. die jeweils Verantwortlichen davon erfahren, dass dieser Raum [die Universität] für Hassaufrufe, Antisemitismus und die Relativierung von Gewaltverbrechen genutzt werden, sind sie aufgefordert Hinweisen nachzugehen und alles dafür zu tun, dass der Schutz vor Diskriminierungen und damit auch vor Antisemitismus sichergestellt wird.“6 Indessen wurden unsere Hinweise auf den antisemitischen Charakter der Veranstaltung nicht nur ignoriert, laut Protokoll der infrage stehenden Ausschussitzung behauptete Fr. Meyer wahrheitswidrig, „die Universität sei mit der Gruppe [Bündnis gegen Antisemitismus Bremen] in Kontakt und es gebe weitere, flankierende Maßnahmen.“ (Ebd.)
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Im Verlauf der Orientierungswoche kam es zu mehreren antisemitischen Veranstaltungen und Vorfällen. Nicht nur waren die Stände auf dem Boulevard dominiert von sogenannten ‚roten Gruppen‘, die zum festen Bestandteil der wöchentlich durch Bremen ziehenden antiisraelischen Aufmärsche gehören, auch der Muslimische Hochschulbund Bremen (MHB), der über den Interkulturellen Akademiker Bund (IAG) mittlerweile im Studierendenparlament sitzt, fiel vor Ort durch antisemitische Sybolik auf. Während der IAG die Förderung eines offenen Diskurses an der Uni zum Nahost-Konflikt proklamiert, verteilte der Muslimische Hochschulbund auf dem Boulevard Palästina-Anstecker, auf denen Israel bereits ausgelöscht ist.7 Schon zu Beginn der Orientierungswoche wurde im Glaskasten ein Banner mit der Aufschrift „ya allah ya allah intifada“ aufgehängt, zu dem sich wieder einmal die Hochschulgruppe Uni(te) for Pali bekannte8 und damit ein weiteres Mal die zwei Terrorwellen glorifizierte, die über 1100 Menschen das Leben kosteten. Diese Gruppe hatte ebenfalls einen Stand auf dem Boulevard, an dem sie gemeinsam mit dem MHB beim sogenannten ‚Watermelon Wednesday‘ Spenden für die Organisation Islamic Relief sammelte, die der islamistischen Muslimbruderschaft zuzurechnen ist.9 Uni(te) for Pali organisierte außerdem eigene Veranstaltungen im Zuge der O-Woche. Im selbstorganisierten studentischen Raum ‚Communitas‘, der sonst „ein flauschiger Ort zum Wohlfühlen sein [soll], in dem linke Kultur und ein solidarisches Miteinander ganz normal sind“10, fand am 10. Oktober die Veranstaltung ‚Fighting against the Uni Bremen’s complicity in the Genocide in Gaza‘ statt, auf der Israel des „Genozids“, „systematischen Massenmords“ und eines „rassistischen Apartheidsystems“ beschuldigt wurde. Diese Veranstaltung bewarb der AStA und war Teil der ‚kritischen O-Woche‘ (ebd.). Belohnt wurden die sogenannten Students for Palestine dafür vom kulturwissenschaftlichen Institut der Uni, indem die Gruppe(n) als „keynote Speaker“ auf die Konferenz ‚Abolition/Radical Pedagogy: University Education in Times of Crisis‘ am 17./18. Oktober eingeladen wurde.11 Die Hochschulgruppe Kritisch. Radikal. Antirassistisch. Links. Lästig. Emanzipatorisch (KRALLE), die seit vielen Jahren tonangebend im AStA ist, zuletzt allerdings durch entristische Unterwanderung in die Hände von linksautoritären Akteuren geriet, führte am 14. Oktober in Räumen des AStA die Veranstaltung ‚On the situation in Palestine and the resistance at the university‘ durch, auf der die durch Antisemitismus gekennzeichnete Besetzung der Uni als Widerstand bezeichnet wurde.12 Um zu verstehen, mit wem man es bei Uni(te) for Pali zu tun hat, hilft auch ein Blick ins kürzlich gemeinsam mit Seeds of Palestine verfasste Statement „Trauer als Kriegswaffe“. In diesem heißt es bezogen auf die Trauerveranstaltung anlässlich des Jahrestags des Pogroms am 07. Oktober: „Als ‚Trauerveranstaltung‘ gelabelt, hatte das Event vor allem einen Zweck: Die Verbreitung der israelischen Kriegspropaganda zur Legitimierung des Völkermordes in Gaza und der Invasion im Libanon (…) Es ist nicht der Antisemitismus, der zunimmt, sondern die Kriminalisierung der Palästinabewegung“.13 Wer auf einer Veranstaltung versucht, lautstark das Gebet des Rabbiners und die Trauerreden für ermordete israelische Geiseln durch Grölen von Parolen wie „Kindermörder Israel“ zu übertönen und hinterher behauptet, nicht antisemitisch, sondern aus „Widerstand“ gehandelt zu haben, hat offenbar nicht begriffen, was Antisemitismus ist, landet folgerichtig bei der kontrafaktischen Bestreitung der Zunahme von Antisemitismus und diskreditiert sich damit vollends als hochschulpolitischer Studierendenverband. Die Gruppen Seeds of Palestine und Uni4Pali kündigten in gemeinsamer Kooperation auf Instagram an, am 07. November in der Rotunde der Universität die Filmvorführung „Investigating War Crimes in Gaza“ des katarischen Propagandasenders Al Jazeera zu zeigen, der immer wieder durch seine Hamas-Nähe, Holocaust relativierende Dokumentation und diverse antisemitische Erzählungen für Schlagzeilen sorgte.14 Graphisch hervorgehoben wurde die Wegbeschreibung des universitätsoffiziellen Veranstaltungsorts abermals durch das eingangs bereits erwähnte rote Hamas-Dreieck, das von den beiden proplästinensichen Gruppen offenbar inflationär und mit völliger Selbstverständlichkeit als Gesinnungsausweis zur Schau getragen wird.15
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Das Universitätsgelände ist übersät mit antizionistischen Graffiti und Aufklebern. Die Parolen reichen von „End Genocide“ über „Destroy Israel“ bis hin zu Solidaritätsbekundungen mit der mittlerweile verbotenen antisemitischen Gruppe Samidoun, deren internationale Koordinatorin Charlotte Kates auf einer Kundgebung in Madrid Judenmord als Befreiung feierte: „We salute October 7th. This was not a dark day. This is a day of the promise of liberation for Palestine, for Lebanon, for the entire Arab region and for everyone who loves justice.“16 Es dauert teilweise Monate bis selbst große Graffiti entfernt werden, sodass für jüdische Studierende der Eindruck entsteht, die Universitätsleitung verstehe die Drohkulisse nicht, oder sie sei ihr schlicht egal.
Forderung nach Konsequenzen und Schutzmaßnahmen
Wir fordern Sie erneut dazu auf, die antisemitischen Umtriebe an der Bremer Universität ernst zu nehmen, endlich wirkmächtig und öffentlich Position zu beziehen und bieten Ihnen dafür gerne den Dialog mit uns an, wie von Frau Meyer in der 13. Bürgerschaftssitzung behauptet. Voraussetzung dafür wäre dafür allerdings eine geteilte Problemanalyse, die auf der Erkenntnis grundieren müsste, dass die Kritik „von Antisemitismus in jeglicher Form“17 bis dato auf dem Gelände der Bremer Universität offenkundig gescheitert ist. Antisemitismus und die Bedrohung Israels lassen sich nicht durch verschiedene kulturelle Perspektiven nivellieren. Interkulturelle Bezüge in der Universitätslandschaft scheinen sich mittlerweile an der Realität vieler Migranten vorbei dadurch auszuzeichnen, dass islamistische und antisemitische Welt- und Geschichtsdeutungen hofiert werden.
Auch wenn der Erfolg von Melde- und Beratungsstellen und Sensibilisierungsworkshops hinsichtlich der Bekämpfung von Antisemitismus sicherlich limitiert ist und solche Initiativen klare Ordnungsmaßnahmen wie auch eine tiefergehende theoretische Beschäftigung mit Antisemitismus nicht ersetzen können, wären sie neben der längst überfälligen Skandalisierung des antisemitischen Normalbetriebs auf dem Campus zumindest ein Anfang. Darüber hinaus fordern wir eine zielgerichtete Sicherheitsinfrastruktur durch einen dahingehend geschulten Securitybetrieb, ein konsequentes Vorgehen gegenüber Uni(te) for Pali und eine Überprüfung der maßgeblich durch KRALLE mitgestalteten Aktivitäten des AStA. Die jüngst vom Bundestag auf den Weg gebrachte „Resolution zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland“ fordert klar, dass zukünftig antisemitische Veranstaltungen nicht länger durch öffentliche Geldern gefördert werden sollen. Es wäre ein starkes Zeichen, wenn die Bremer Universitätsleitung nicht erst auf Beschlüsse von höchster Stelle hin Anstrengungen unternähme, sondern autonom dem virulenten Antisemitismus etwas entgegensetzte, Hinweise von uns und anderen auf entsprechende Aktivitäten auf dem Campus, wie vom Bremer Senat gefordert, ernst nähme und dementsprechend handelte.
Mit freundlichen Grüßen
Das Bündnis gegen Antisemitismus Bremen
Verweise
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Inzwischen hat auch das Innenministerium die Bedeutung dieses Symbols erkannt und das Hamas-Verbot dahingehend erweitert, dass auch das rote Dreieck als ein verbotenes Kennzeichen eingestuft wird. https://www.welt.de/politik/deutschland/article254458574/Israel-Hass-Rotes-Dreieck-und-Portraets-von-Terroristen-Innenministerium-erweitert-Hamas-Verbot.html ↩︎
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Bündnis gegen Antisemitismus Bremen, „Offener Brief an das Rektorat der Universität Bremen betreffs der Campusbesetzung durch das pro-palästinensische Protestcamp.“ https://bgabremen.de/posts/offener-brief-universitaet-bremen-antisemitismus-protestcamp/ ↩︎
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N. N., „Universitätsleitung zu den Forderungen des Protestcamps“. https://www.uni-bremen.de/universitaet/hochschulkommunikation-und-marketing/aktuelle-meldungen/detailansicht/universitaetsleitung-zu-den-forderungen-des-protestcamps und N. N., „Universitätsleitung löst Protestcamp auf, bleibt aber im Dialog mit den Studierenden“. https://www.uni-bremen.de/universitaet/hochschulkommunikation-und-marketing/aktuelle-meldungen/detailansicht/universitaetsleitung-loest-protestcamp-auf-bleibt-aber-im-dialog-mit-den-studierenden ↩︎
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Salman Abu Sitta „I could have been one of those who broke through the siege on October 7“, in: Mondoweiss, 04.01.2024 https://mondoweiss.net/2024/01/i-could-have-been-one-of-those-who-broke-through-the-siege-on-october-7/ und N.N. „Polizei löst umstrittenen ‚Palästina-Kongress‘ auf“, in: Deutschlandfunk, 12.04.2024 https://www.deutschlandfunk.de/polizei-loest-umstrittenen-palaestina-kongress-auf-104.html ↩︎
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Ausschuss für Wissenschaft, Medien, Datenschutz, Informationsfreiheit und Digitalisierung „Vorlage VL 21/2720“, 22.08.2024 abrufbar unter: https://sd.bremische-buergerschaft.de/vorgang/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZS6v3_ZLTkHKLpXjtERgEZg ↩︎
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Ausschuss für Wissenschaft, Medien, Datenschutz, Informationsfreiheit und Digitalisierung „Beschluss zur Vorlage VL 21/2720“, 25.10.2024 abrufbar unter: https://sd.bremische-buergerschaft.de/vorgang/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZS6v3_ZLTkHKLpXjtERgEZg ↩︎
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Muslimischer Hochschulbund Bremen, Instagram-Story vom 09.10.2024 (Screenshot) ↩︎
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Uni(te) for Pali, Instagram-Story vom 08.10.2024 (Screenshot) ↩︎
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Uni(te) for Pali, Instagram-Post vom 04.10.2024 https://www.instagram.com/mhb_bremen/p/DAsbTrmu_3z/ ↩︎
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N.N., „Kritische Orientierungswoche 2024“ https://www.asta.uni-bremen.de/owoche24/ ↩︎
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N.N., „Abolition/Radical Pedagogy: University Education in Times of Crisis“ https://www.uni-bremen.de/kultur/profil/aktuelles/detailansicht/abolition-radical-pedagogy-university-education-in-times-of-crisis ↩︎
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Siehe 9 ↩︎
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Uni(te) for Pali, Instagram-Post vom 17.10.2024 https://www.instagram.com/p/DBONx4puRpA/?img_index=1 ↩︎
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Carla Reveland und Pascal Siggelkow „Schützenhilfe für die Hamas“, in: Tagesschau, 05.02.2024 https://www.tagesschau.de/faktenfinder/kontext/al-jazeera-nahost-100.html und Ohad Merlin „Al-Jazeera’s Holocaust legacy: Justification alongside outright denial“, in: The Jerusalem Post, 06.05.2024 https://www.jpost.com/middle-east/al-jazeeras-holocaust-legacy-justification-alongside-outright-denial-800079 ↩︎
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Uni(te) for Pali, Instagram-Post vom 02.11.2024 https://www.instagram.com/seeds.of.palestine/p/DB1buOEN5Lw/ ↩︎
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Democ, „Samidoun und Masar Badil feiern Massaker vom 7. Oktober in Madrid“, youtube-Video vom 07.10.2024 https://www.youtube.com/watch?v=pBeJBWyEOLM ↩︎
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Siehe 2 ↩︎