Am 01. Mai, dem inzwischen zum “Tag der Arbeit” herabgesetzten “Kampftag der Arbeiterbewegung”, versammeln sich seit 135 Jahren weltweit Menschen, höhere Löhne, bessere Arbeitszeiten oder konsequent die radikale Aufhebung der kapitalistischen Ausbeutung zu fordern. Seit 114 Jahren wird am 8. März für die rechtliche Gleichstellung und Emanzipation der Frau demonstriert. Und nach wie vor finden regelmäßig die 2018 erstmals begonnenen Klimastreiks statt. All diesen Demonstrationen ist gemeinsam, dass sie in letzter Zeit zunehmend von Gruppen eingenommen werden, die der islamisch-aktivistischen (nicht selten mit Verbindungen zu islamistischen Akteuren) und antiimperialistischen Szene zuzuordnen sind. Teile der Demonstrationen sind gespickt mit Kufiyahs (auch Palästinenser-Tuch genannt), ein Symbol, das seit 1936 untrennbar mit dem teils arabisch-ethnozentrischen, teils islamistisch-antisemitischen Terror gegen Juden verknüpft ist1, immer wieder sind antisemitische Sprechchöre wie „Kindermörder Israel" zu hören.

Auf das machistisch-aggressive Auftreten wäre noch einmal gesondert einzugehen. Man muss sich aber auch grundsätzlich fragen, was Emanzipation von Ausbeutung, Sexismus und Naturnutzung mit der palästinensischen Sache zu tun haben. Jene Aktivisten wollen glauben machen, dass in Israel alle Fäden der Unterdrückung zusammenlaufen, dass wiederum alle Kämpfe für Befreiung notwendig mit der Befreiung Palästinas zusammenhängen und mit dieser „intersektional" verknüpft sind. Hinter dieser falsch verstandenen Intersektionalität verbergen sich jedoch erlösungsantisemitische Phantasien: Erst, wenn Israel als größtes Übel der Menschheit von der Landkarte verschwände, sei die Erlösung der Menschheit greifbar.

Stattdessen ist das Vorgehen recht durchschaubar: Progressive soziale Bewegungen sollen für den eigenen Hass gegen den jüdischen Staat gekapert werden. Dass dieser Hass die Motivation hinter der vermeintlichen Solidarität ist, machen die Demonstranten selbst immer wieder deutlich.

Antisemitismus, ob von links oder rechts, ist mit progressiven sozialen Ideen nicht vereinbar. Trotzdem herrschen in linken und kulturschaffenden Zusammenhängen immer noch Laxheit und Desinteresse vor. Linker und islamischer Antisemitismus bedrohen die Imagination eines geeinten, linken Projekts und die eigene Bündnisfähigkeit, daher werden diese Formen relativiert oder ignoriert. Doch die Ideale der „propalästinensischen" Bewegung sind nicht emanzipatorisch, sie sind destruktiv. Ihre Vorstellung von Befreiung ist die der Vernichtung des nationalen Schutzraums der Juden.

Organisatoren sollten sich fragen, ob sie auch rechte Antisemiten auf ihren Demonstrationen dulden würden und was diese eigentlich von den linken und islamischen trennt oder umgekehrt, was sie selbst mit letztgenannten gemeinsam haben. Wir wünschen uns von Gruppen wie dem DGB, Fridays for Future und dem Feministischen Streik Bremen, dass sie daraus die nötigen Konsequenzen ziehen und dass, wo ein Ausschluss von der Demonstration nicht möglich ist, die entsprechenden Gruppen wenigstens glaubwürdig und öffentlich sichtbar kritisiert werden. Andernfalls werden ihre Demonstrationen, ob gewollt oder ungewollt, zum Vehikel für antisemitische Propaganda.